Das LAG München hat am 20.08.2025 entschieden, dass der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG nicht während der Wartezeit von sechs Monaten gem. § 1 Abs. 1 KSchG greift und außerdem Verwirkung eintritt, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht zeitnah (innerhalb von drei Wochen, spätestens aber innerhalb von drei Monaten) nach dem Zugang der Kündigung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert.
Der Kläger war seit 7.3.2024 als Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Am 13.03.2024 ließ der Kläger bei einem Notar eine „Erklärung gemäß § 15 Absatz 3b KSchG“ darüber, dass er die Errichtung eines Betriebsrats im Betrieb der Beklagten beabsichtigt, beglaubigen. Am 20.03.2024 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten per E-Mail nach der Existenz eines Betriebsrats und teilte mit, dass er, sollte kein Betriebsrat existieren, dessen Gründung beabsichtigt und zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands einladen will. Gleichzeitig bat er um Übersendung eines Verzeichnisses aller Wahlberechtigten. Mit Schreiben vom 21.03.2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 28.03.2024, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und berief sich auf verschiedene Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung, insbesondere auf einen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Behinderung einer Betriebsratswahl gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG und – allerdings erstmals in einem Schriftsatz vom 15.10.2024 – auf den besonderen Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl im Sinne des § 15 Abs. 3b KSchG. Die Beklagte machte geltend, § 15 Abs. 3b KSchG sei nicht auf Kündigungen innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 KSchG anwendbar, was sich schon daraus, ergebe, dass nach dem Wortlaut nur Kündigungen erfasst seien, die aus Gründen „in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers“ ausgesprochen werden. Die Probezeitkündigung sei ausgesprochen worden, weil der Kläger nicht als Sicherheitsmitarbeiter geeignet sei.
Das Arbeitsgericht hatte der Kündigungsschutzklage mit Hinweis auf den Sonderkündigungsschutz des Klägers gem. § 15 Abs. 3b KSchG als sogenannter „Vorfeld-Initiator“ einer Betriebsratswahl stattgegeben, mit der Begründung, die beiden in der Vorschrift genannten Voraussetzungen – Vorbereitungshandlung und notarielle Beglaubigung – lägen vor. Eine Frist, innerhalb derer sich der Arbeitnehmer auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG berufen müsse, sehe die Vorschrift nicht vor
Das LAG München hat die Entscheidung nunmehr abgeändert und die Kündigungsschutzklage abgewiesen und dies damit begründet, dass der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG während der Wartezeit von § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung findet. Vielmehr ergebe die Auslegung der Bestimmung, dass sie ausschließlich für Kündigungen im zeitlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gilt. Darüber hinaus sei das Recht des Klägers sich auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen verwirkt, da er die Beklagte nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert hat.
Das Urteil vom 20.08.2025, 10 SLa 2/25 ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist im Hinblick auf die noch nicht entschiedenen Rechtsfragen einer Geltung von § 15 Abs. 3b KSchG in der Probezeit und die Frage der Verwirkung des Rechts, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen, zugelassen.
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 20.08.2025 – 10 SLa 2/25
Quelle: Arbeitsgerichtsbarkeit Bayern, Landesarbeitsgericht München, Pressemitteilung vom 20.08.2025