Arbeitsrecht: Erstaunliche Rechtsirrtümer! „Das Kündigungsverbot während der Schwangerschaft beginnt mit Erhalt der ärztlichen Bescheinigung.“

Diese Annahme ist nicht richtig!

Grundsätzlich ist jede Kündigung gegenüber einer Schwangeren gem. § 17 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unter der Voraussetzung unzulässig, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

Der Beginn des Kündigungsverbotes ist gesetzlich nicht bestimmt. Nach einer ärztlichen Konsultation erfährt die Schwangere erstmals sicher von ihrer Schwangerschaft und erhält eine ärztliche Bescheinigung mit dem voraussichtlichen Entbindungstermins. Die Schwangerschaft und der Beginn des Kündigungsverbots müssen also davor liegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Urteil vom 24.11.2022, AZ. 2 AZR 11/22, wird der Beginn des gesetzlichen Kündigungsverbots bei natürlicher Empfängnis in der Weise bestimmt, dass von dem ärztlich festgestellten mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage zurückgerechnet wird.

Nach der Auffassung des BAG gehe es dabei nicht um die Bestimmung des tatsächlichen naturwissenschaftlichen Beginns der Schwangerschaft im konkreten Fall, sondern um eine Berechnungsmethode für die Bestimmung des Kündigungsverbots wegen Schwangerschaft, der prognostische Elemente innewohnen und die am verfassungsrechtlich gebotenen Schutzauftrag orientiert sei.

Oliver Sonntag
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht