Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Entscheidungen zum Aufhebungsvertrag gefasst. Unter einem Aufhebungsvertrag (oder Auflösungsvereinbarung) wird jede freiwillige schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen mit dem Inhalt zur Beendigung des Arbeitsvertrages verstanden. Das BAG geht von der grundsätzlichen Vertragsfreiheit bei dem Abschluss von Aufhebungsverträgen aus und hat hierzu beachtliche Grenzen der entwickelt.
Mit Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – hat das BAG grundsätzlich festgestellt, dass ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns rechtswidrig sein könne, was anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden sei.
Das Gebot des fairen Verhandelns ist nach Auffassung des BAG verletzt, wenn eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt werde, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstelle und wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst werde sowie wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werde, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwere oder sogar unmöglich mache. Dies könne durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen oder auch durch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse oder die Nutzung eines Überraschungsmoments (Überrumpelung).
Dem gegenüber sei das Gebot des fairen Verhandelns aber noch nicht verletzt, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräume (BAG 14.02.1996 – 2 AZR 234/95). Auch die vorherige Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung sei nicht erforderlich (BAG 30.09.1993 – 2 AZR 268/93).
Ferner hatte das BAG (Urteil 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 –) entschieden, eine Arbeitnehmerin könne einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsehe, auch dann nicht widerrufen, wenn er in ihrer Privatwohnung abgeschlossen wurde. Allerdings könne das Gebot fairen Verhandelns dadurch verletzt sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre.
Aktuell hat das BAG (Urteil 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 –) zudem entschieden, das Gebot des fairen Verhandelns sei nicht verletzt, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig mache und dem Arbeitnehmer weder Bedenkzeit verbleibe noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen könne.
Oliver Sonntag
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht