Arbeitsrecht: „Kann mir der Arbeitgeber fristlos kündigen, wenn ich ihn wegen Verletzung der Quarantänebestimmungen anzeige?“

Die richtige juristische Antwort lautet: Kommt darauf an!

Grundsätzlich wird das Arbeitsverhältnis von wechselseitiger Rücksichtnahme geprägt. Auch der Arbeitnehmer ist zur Rücksichtnahme verpflichtet. Hieraus leitet die Rechtsprechung ab, dass eine Anzeige gegen den Arbeitgeber eine verhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers darstellen muss. Eine unverhältnismäßige Reaktion wird etwa angenommen, wenn die Motivation zur Anzeige lediglich darin liegt, den Arbeitgeber zu schädigen.

Ferner ist es unverhältnismäßig, Missstände nicht zunächst innerbetrieblich anzusprechen, sondern sofort eine externe Anzeige zu erstatten. Demgegenüber soll ein innerbetriebliches Vorgehen entfallen, wenn dieses unzumutbar ist, weil systematisch Missstände begangen werden.

Bei einem Fall vor dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau (Urt. 12.08.2020, 1 Ca 65/20) hatte ein Arbeitnehmer den Geschäftsführer und den Meister wegen Verstoß gegen coronabedingte Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen angezeigt, nachdem er innerbetrieblich auf die Missstände erfolglos hingewiesen hat. Er wurde daraufhin fristlos entlassen. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Kündigung unwirksam sei, da die Anzeige eine verhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers darstelle.

Oliver Sonntag
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht