Arbeitsrecht: Erstaunliche Rechtsirrtümer #38 „Nur, weil ich ein Liter Desinfektionsmittel mitnehme, kann mir der Arbeitgeber doch nicht fristlos kündigen!“

Diese Annahme ist falsch!

Grundsätzlich benötigt der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung einen wichtigen Grund und zuvor eine erfolglose Abmahnung wegen einer gleichgelagerten Pflichtverletzung. Ausnahmsweise bedarf es keiner vorherigen Abmahnung, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv für den Arbeitgeber nach einer Interessenabwägung unzumutbar ist und dem Arbeitnehmer ganz klar war, dass diese Umstände sein Arbeitsverhältnis gefährden.

Z.B. hatte ein angestellter Fahrzeugwäscher unter anderem eine Literflasche Desinfektionsmittel vom Materialwagen in sein Fahrzeug-Kofferraum gelegt und wurde bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle während des ersten Pandemie-Lockdowns vom Werkschutz bei der Ausfahrt kontrolliert. Das aufgefundene Desinfektionsmittel hat das Paketzustellunternehmen zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung veranlasst. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. 15.01.2021, 5 Sa 483/20) haben die fristlose Kündigung anerkannt, da dem klagenden Arbeitnehmer klar gewesen sein muss, dass er mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel, insbesondere da während in der Pandemiezeit dieses Mangelware ist, sein Arbeitsverhältnis sehr stark gefährdet.

Oliver Sonntag
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht